An die Eltern: „Lernen zu Hause“ in der Grundschule

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Seit neun Monaten sind wir mit unserem Kind (7 Jahre) im „Lernen zu Hause“ Modus. Wir haben uns viel mit dem Thema „Lernen“ beschäftigt. Dabei gab es viele Aspekte und Anregungen, die zu Veränderungen bei unserer Einstellung zum „Lernen zu Hause“ geführt haben. Immer mit dem Ziel, dass das „Lernen zu Hause“ möglichst gut klappt. Hier versuchen wir kurz zusammenzufassen, was unserer Meinung nach wichtige Aspekte sind, damit das „Lernen zu Hause“ unter Anleitung der Eltern funktioniert. Manchmal sind Links zum Informieren und Weiterlesen mit angegeben.

1. Es gibt nicht die eine richtige Strategie für „Lernen zu Hause“

Jedes Kind ist anders und lernt anders. Deshalb gibt es nicht die eine richtige Strategie. Empfehlungen für gutes „Lernen zu Hause“ können funktionieren, können aber auch nicht funktionieren. Man sollte zusammen mit seinem Kind schauen, welche Tipps gut sind und welche man auch gleich lieber sein lässt. (Infos zu Lerntypen)

2. Lernzeit an das Kind anpassen

Am Anfang war nach 30 min oft die Luft beim „Lernen zu Hause“ raus. Das ist in Ordnung, und dann kann das „Lernen zu Hause“ auch beendet werden. In den Vorgaben (Niedersachsen) steht als Richtwert 1,5 Std. für das „Lernen zu Hause“ für die 1. Und 2. Klasse. Aber: Der Einfluss der Unterrichtszeit auf das Lernen ist eher gering im Vergleich zu anderen Faktoren (Die Hattie-Studie, S. 11). Das Bedürfnis der Eltern, dass vom Kind alle Aufgaben in der Zeit zu erledigen sind, zählt nicht und spielt keine Rolle. Auf keinen Fall darf hier Druck aufgebaut werden, was noch zu erledigen ist. Solche Sachen sind schädlich für das erfolgreiche Lernen. Das Kind also nicht zu Aufgaben zwingen und lieber eher mit dem Lernen aufhören, als wenn es bis an die Belastungsgrenze von allen Beteiligten geht.

3. Kinderbedürfnis für „Lernen zu Hause“

Fragt bei allen möglichen Faktoren nach, was und wie sich euer Kind das „Lernen zu Hause“ wünscht. Es kann auch sein, dass sich manche Wünsche als kontraproduktiv herausstellen. Eine Änderung ist also immer wieder möglich. Beispiele: Lernort (Schreibtisch, Küchentisch, Fußboden, …), Lernzeit (gleich nach dem Aufstehen, nach dem Frühstück, um 10 Uhr, …), Lerndauer (nie mehr als 1 Std. am Stück, 45 min morgens, 45 min abends), Lern-Struktur (Wochen-Lernplan am Montag besprechen, Einteilen auf die einzelnen Tage, was liegt am heutigen Tag an).

4. Eltern sind keine Lehrer

Beim „Lernen zu Hause“ nimmt man eine teilweise merkwürdige Doppelrolle ein. Neben der fürsorglichen Elternrolle schlüpft man in die Lehrerrolle. Man sollte tunlichst vermeiden, dass Konflikte aus der Lehrerrolle sich negativ auf die Beziehung zum Kind in der Elternrolle übertragen. Bei konkurrierenden Entscheidungen gewinnt immer die Elternrolle. Die „Lehrerrolle“ muss sich mit einem hinteren Platz bei der Abwägung begnügen.

5. Kompetenzen vermitteln statt Fakten zu lernen

In der Schule steht die Vermittlung von Kompetenzen im Vordergrund und nicht die Vermittlung von Faktenwissen (Beschluss der Kultusministerien, Absatz 2.1). Unter Aufgaben und Ziele der Grundschule (Erlass vom August 2020, Niedersachsen) steht: Die Grundschule ermöglicht den Schülerinnen und Schülern den Erwerb notwendiger Kompetenzen für weiterführende Bildungsprozesse. Dazu gehören Lesen, Schreiben, Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaften, zukunftsfähiges Denken und Handeln, nachhaltige Entwicklung, gesundheitsbewusst zu Leben, gute Beziehungen, Toleranz, Solidarität.

Fachthemen werden im Unterricht behandelt, damit die Schülerinnen und Schüler die aufgelisteten Kompetenzen erlernen. Das bedeutet aber auch, dass das Erlernen der Kompetenzen nicht an spezielle Fachthemen gebunden ist. Es ist nicht Ziel der Grundschule, dass alle Schülerinnen und Schüler genau das gleiche Fachwissen gelernt haben. Ziel der Grundschule ist der Kompetenzaufbau bei den Schülerinnen und Schülern.

Als die wichtigsten Kompetenzen für Lernende im 21. Jahrhundert gelten Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken (4K-Modell des Lernens).

6. Blick auf die Stärken

Es ist im „Lernen zu Hause“ sehr wichtig, dass die Lernatmosphäre motivierend und voller Lernfreude ist. Schlechte Laune sollte immer vermieden werden. Das bedeutet auch, dass Themen, die schlechte Laune verursachen nicht bearbeitet werden sollten. Zum Beispiel Aufgaben, die dem Kind schwer fallen. Im Vordergrund steht der Kompetenzerwerb, der auch mit Themen bei denen das Kind stark ist, erreicht werden können. Hier kann und sollte man also kreativ von den Vorgaben abweichen.

7. Fehlerfreundliche Atmosphäre

Alle machen Fehler: Kinder, Eltern, Lehrer, Schulleiter, Kultusminister, Bundeskanzler. Fehler gehören zum Leben dazu. An Fehlern kann man insbesondere sehr gut lernen. Das Verstehen von Fehlern ist ein Lernprozess (Die Hattie-Studie, S.7). Insofern ist es wichtig, Fehler zuzulassen und nicht negativ auszulegen. Eine fehlerfreundliche Atmosphäre ist leider in Schulen nicht weit verbreitet: „Die  vorliegende  Untersuchung  zeigt,  dass  Pädagoginnen  und  Pädagogen  kaum  über  theoretisch  fundiertes  Wissen  zum  produktiven  Umgang  mit  Fehlern  verfügen.“ (Fehler als Lernchance?)

8. Rolle der Lehrkraft

Die Rolle der Lehrkraft im Distanzlernen ist sehr unterschiedlich und hängt stark von den Kompetenzen der Lehrkraft ab. Hier eine Übersicht vom Schulministerium in NRW zu den Aufgaben der Lehrkraft für das Lernen auf Distanz.

So viel wie möglich Nur das Nötigste
Empathie und Beziehungsarbeit Tools und Apps
Vertrauen und Freiheit Kontrolle und Struktur
einfache Technik neue Technik
asynchrone Kommunikation Synchrone Kommunikation
offene Projektarbeit kleinschrittige Übungen
Peer-Feedback Feedback von Lehrenden
Rolle der Lehrkraft für das “Lernen zu Hause”

Auch bei den ganzen guten Tipps gibt es Tage an denen das „Lernen zu Hause“ nicht klappt: schlechte Laune, weinen, genervt sein, das Gefühl zu haben, es ist alles zu viel. Das gehört immer wieder mal dazu. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen. An solchen Tagen muss dann das „Lernen zu Hause“ auch mal ausfallen. Es ist für alle Beteiligten eine besondere Situation, das darf man nicht vergessen.

Wir hoffen, dass das „Lernen zu Hause“ gut funktioniert. Vielleicht kann der eine oder andere ja aus unseren Anregungen etwas für das „Lernen zu Hause“ mitnehmen und verbessern.


Anregungen für weitere wichtige Faktoren, die das „Lernen zu Hause“ bei euch verbessert haben könnt ihr gerne an: redaktion@sicherebildung.de schicken.