Aus dem Leben einer Hochrisikofamilie während der Corona-Pandemie (Teil 1/4)

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Wir sind eine Familie mit 3 Kindern. Sowohl ich (Vater) als auch 2 unserer 3 Kinder haben eine chronische Grunderkrankung (Kugelzellenanämie), eine recht seltene Fehlbildung der roten Blutkörperchen. Die Berliner Charité schätzt die Anzahl der betroffenen Personen deutschlandweit auf etwa 17.000, also ca. 0,02% der Bevölkerung. Unsere Tochter ist 9 Jahre alt und hat eine schwerere Form dieser Erkrankung. Sie war des Öfteren in stationärer Behandlung. Das letzte Mal zu Beginn des  Jahres 2020. Sie hat mit einfachen Infekten schwerer zu tun und wurde von ihrer Erkrankung zum letzten Jahreswechsel soweit aus der Bahn geworfen, dass sie zwischen Januar 2020 und Beginn der Pandemie bedingten Schulschließung bis auf wenige Tage durchgängig krank zu Hause war.

Unser jüngerer Sohn ist 11 Jahre alt und hat zusätzlich zur Kugelzellenanämie noch Asthma. Beide gehören laut ärztlichen Attesten zu den Hochrisikogruppen.

Ich selbst habe als Folge der Kugelzellenanämie bereits als 6-jähriger die Milz entfernt bekommen (Splenektomie). Zusätzlich habe ich durch die fehlende Milz ein erhöhtes Risiko für Thrombosen und leide an Herzrhythmusstörungen. Auch ich gehöre daher zur Hochrisikogruppe.

Die Mutter hat auch einige Grunderkrankungen wie z.B. Anstrengungsasthma und Bluthochdruck.

Man kann also durchaus sagen, dass wir ein Hochrisikohaushalt sind. Lediglich unser ältester Sohn gehört selbst keiner der vom RKI benannten Risikogruppen an. Und genau hier liegt jetzt unser Problem!

Sommer 2020: Der Beginn einer unglaublichen Geschichte

Bis zu den Sommerferien war alles kein Problem. Selbst als die Schule nach der temporären Schließung stückweise zum Präsenzunterricht zurückkehrte, bestand für uns die Möglichkeit mittels einfacher Mitteilung an die Schule, die Kinder weiterhin im „Home-Schooling“ zu behalten. Zum Ende des Schuljahres erhielten wir auch noch vom zuständigen Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) einen Elternbrief zugestellt. In diesem befand sich folgendes Zitat:

„Sie entscheiden über den Schulbesuch, wenn ein Arzt attestiert, dass ihre Kinder oder andere Angehörige Ihres Haushalts einer Risikogruppe angehören.“

Von unserer Kinderärztin hatten wir bereits in den Sommerferien für alle 3 Kinder ein Attest ausgestellt bekommen, um diese, erst mal bis zu den Herbstferien, vom Präsenzunterricht zu befreien.

In der letzten Woche waren wir hierzu auch mit den beiden Schulen unserer Kinder, der ortsansässigen Grundschule der beiden jüngeren Kinder und das Gymnasium in Brandenburg Havel, auf welches unser ältester Sohn geht, in Kontakt getreten, um zu erfahren, wie der Distanzunterricht für alle 3 organisiert werden soll.

Für unsere beiden Grundschüler war dies kein Problem, da sie ja selbst als Risikogruppenzugehörige anerkannt werden.

Die Klassenlehrerin unseres ältesten Sohnes teilte uns aber zum Ende der letzten Ferienwoche mit, dass dieser auf Grund der neuen Richtlinien für die Teilnahme am Distanzunterricht, erlassen durch das Ministerium, nicht für eine Distanzbeschulung infrage kommt, da er selbst keiner Risikogruppe angehört und alleine die Zugehörigkeit zu einem Risikohaushalt nicht berechtigt, vom Präsenzunterricht befreit zu werden.

Nachdem wir, auf Grund des oben angeführten Elternbriefes, dieses zuerst nicht fassen konnten, wurden wir zum Wochenbeginn eines Besseren belehrt. Mit Erschrecken konnten wir hier auf der Webseite des MBJS die neuen Richtlinien einsehen und downloaden. (anlage_2_vulnerable_schueler.innen.pdf)

In dieser steht:

„Die Zugehörigkeit eines Haushaltsangehörigen zu einer medizinischen Risikogruppe stellt grundsätzlich keine Begründung dafür dar, dass Schüler/innen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen oder die allgemeine Schülerbeförderung nutzen können.“

Wir stellten beim Gymnasium den Antrag auf Befreiung vom Präsenzunterricht. Diesen lehnte die Schule jedoch mit dem Verweis auf die vom MBJS erlassene Richtlinie ab. Natürlich gingen hierzu etliche E-Mails zwischen der Schulleitung und uns hin und her in der wir auf die besondere Situation unserer Familie hinwiesen und dass es doch möglich sein muss, unsere Gesundheit zu schützen. Also wendeten wir uns zusätzlich neben der Schule auch an das zuständige Schulamt. Auch dieses teilte uns aber umgehend mit, dass für unseren Sohn kein Anspruch auf Distanzunterricht besteht, da ja nur der Rest der Familie zur Risikogruppe gehört, nicht aber unser Sohn. Und in der Richtlinie steht ja das „grundsätzlich“ kein Anspruch besteht. Wobei das Wort „grundsächlich“ von der Definition her Ausnahmen einräumt.

Uns stellte sich natürlich sofort die Frage, was machen wir jetzt. Uns war beiden sofort klar, dass der Schutz der Gesundheit unserer Familie das Wichtigste ist. Nicht umsonst halten wir uns schließlich seit dem Frühjahr an alle Empfehlungen, versuchen das Risiko einer Ansteckung durch strikte Einhaltung der AHA-Regeln, Home-Office, Kontaktminimierung, etc. soweit es geht zu minimieren. Unser Sohn wird auf keinen Fall in den Präsenzunterricht in die Schule gehen.

Dann für kurze Zeit Hoffnung. Wir erhielten morgens eine Mail von unserem Schulleiter, dass es die Bestimmungen zwar nicht hergeben, er aber auf Grund unserer doch sehr speziellen Situation die Klassenlehrerin angewiesen habe, den Distanzunterricht für unseren Sohn vorzubereiten. Die Partystimmung hielt leider nicht lange, denn keine 45 Minuten später erhielten wir eine zweite Mail in der uns der Schulleiter mitteilte, dass er von oben eine Anweisung erhalten habe, wie er mit uns zu verfahren hat und dass unser Sohn in den Präsenzunterricht zu gehen hat.

Wir fingen also an alle uns bekannten Register zu ziehen. Wir schrieben das MBJS bzw. Ministerin Britta Ernst selbst an. Wir versuchten Unterstützung über den Landeselternrat zu erhalten, verschickten Anfragen an lokale Zeitungsverlage und andere Medien um hierüber Unterstützung zu erhalten. Diese kam aber zunächst nicht. Also blieb uns nur noch eine Wahl. Die Suche nach einem Anwalt, der uns zu unserem Recht auf Schutz unserer Gesundheit verhelfen sollte.

Wie es weiter ging, kannst du hier erfahren.

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