Da mache ich nicht mit. Wenn Eltern bockig sind.

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31.10.2020

Ich möchte nicht, dass mein Kind unter den aktuellen Bedingungen weiter in die Schule geht. Was kann man tun? Das gleiche Ziel in zwei unterschiedlichen Ansätzen.

Das sind die Geschichten von Dirk und Olaf. Beide haben sich über Twitter kennen gelernt, auf der Suche nach Gleichgesinnten. Jeder wird von der jeweiligen Schule als Exot wahrgenommen, da beide ihre Kinder wegen der Corona-Pandemie nicht mehr zur Schule schicken. Sie leben in unterschiedlichen Bundesländern. Die Motivation mag unterschiedlich sein: Angehörige einer Risikogruppe in der Familie, zu hohes Infektionsgeschehen im Umkreis, kein transparenter Umgang des Kultusministeriums mit den Schulen.

Aber das Ziel war das gleiche: wie schaffe ich es, dass unter diesen Bedingungen meine Kinder nicht mehr zur Schule gehen müssen? Und das bei bestehender Schulpflicht in dem jeweiligen Bundesland. Was für bürokratische Hürden muss man bewerkstelligen? Wer ist überhaupt zuständig? Welche Unsicherheiten oder Ängste tauschen auf? Sind diese Ängste berechtigt? Wie organisieren wir das Home-Schooling? Und ganz wichtig, wie geht es den Kindern damit?

Fall „Dirk“ (Niedersachsen)

Sohn, 7 Jahre in der 2. Klasse. Seit dem Lockdown im März 2020 bis zu dem Sommerferien 2020 war er nicht mehr in der Schule. Im Juni wurde das dritte Kind geboren, so dass das nächste Jahr jeweils ein Elternteil zu Hause sein wird, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. „Wie gehen wir mit der Corona-Situation und der Schulsituation um?“ war die Frage, die Dirk mit seiner Frau am Ende der Sommerferien diskutiert hat. Entscheidend war: Stell dir mal vor wir sind 10 Jahre weiter und schauen zurück auf die Corona Zeit. Wir haben die Möglichkeit zu sagen, dass der Sohn während der ungewissen Zeit nicht die Schule besuchen soll. Jede Kontaktreduzierung ist eine Risikoreduzierung für Lehrer, Mitschüler und Familien. Wenn es in 2021 Schnelltest, Impfstoffe und Medikamente zur Behandlung gibt, sieht die Situation schon deutlich besser aus. Wir haben die Situation mit unserem Sohn besprochen, der das Home-Schooling richtig gut findet.

Also hat Dirk einen Antrag bei der Schulleitung gestellt:

„Wir befinden uns in der glücklichen Situation, dass wir für unseren Sohn eine Lernen-zu-Hause Situation anbieten können. Wir bitten Sie die Lernen-zu-Hause Möglichkeit für unseren Sohn für das 1. Schulhalbjahr zu ermöglichen.“

Die Antwort war ein Verweis auf die Hygienevorschriften des Landes Niedersachsen:

„Ohne ärztliche Bescheinigung kann ich Ihrem Wunsch leider nicht entsprechen. Sollte eine Bescheinigung vorliegen, kann ihr Sohn weiterhin zu Hause beschult werden. Bedingung dafür wäre dann aber ein enger Kontakt von Ihnen zu den Lehrer*innen von Ihrem Sohn. Dieses Vorgehen ist so mit der Landesschulbehörde abgeklärt.“

Folgende Lösungsszenarien haben wir überlegt:

  • Umzug der Familie nach Baden-Württemberg zu Freunden. Dort war damals schon klar, dass es keine Präsenzpflicht für das Schuljahr 2020/2021 geben wird. Dirk ist bis Ende 2020 im Home-Office, so dass er von überall aus arbeiten könnte.
  • Was passiert wenn wir unseren Sohn einfach nicht hinschicken? Was wären die Konsequenzen? Bußgeld, in Obhutnahme durch das Jugendamt. Oh man, den Stress wollen wir nicht haben.
  • Gegen die Hygienevorschriften klagen, da kein ausreichender Schutz in den Schulen sichergestellt ist. Von dem Prozess des Klagens haben wir keine Ahnung und mit dem Nachwuchs auch irgendwie keine Zeit sich um solche Dinge tagsüber zu kümmern. Also lieber nicht.
  • Letzte Lösung: Attest vom Facharzt, dass einer aus dem Haushalt zur Risikogruppe gehört. Das haben wir dann tatsächlich für meine Frau bekommen. Da spielten verschiedene glückliche Umstände eine Rolle.

Die ärztliche Bescheinigung an die Schule geschickt. Dann gab es keine weitere Reaktion mehr von der Schule. Präsenzbefreiung für das gesamte Halbjahr. Super, haben wir ein Glück gehabt, dass wir ein Attest bekommen haben. Was machen die ganzen anderen Leute, die kein Attest haben? Die ganzen anderen? An der Grundschule des Sohns war die Familie von Dirk die einzige, die ihre Kinder nicht zum Unterricht geschickt hat.

Kontakt zu den Lehrern läuft gut. Die Aufgaben zu Hause erledigt Dirks Sohn unter Anleitung ganz ok.

Vor den Herbstferien gab es noch ein paar unsichere Wochen, weil sich das Hygienekonzept in Niedersachsen geändert hatte und nun sich die Schule meldete mit der Aufforderung:

„Daher muss ich Ihnen mitteilen, dass ich Ihren Antrag auf Befreiung vom Präsenzunterricht („Lernen-zu-Hause Ermöglichen“) leider ablehnen muss. Das bedeutet, dass Ihr Sohn wieder am Präsenzunterricht teilnehmen muss.“

Zu dem Zeitpunkt habe ich dann um ein persönliches Gespräch gebeten. Ich wollte einmal wissen, was das für Leute sind, die auf einmal wieder fordern, dass unser Sohn wieder in die Schule soll, obwohl die ganze Situation für alle zufriedenstellen geklärt war. Im Gespräch mit dem Schulleiter habe ich deutlich gemacht, dass wir von unserer Haltung nicht abweichen werden, auch wenn sich das Hygienekonzept geändert hat. Es war an sich ein höfliches und informatives Gespräch, aber wir sind in der Sache nicht weiter gekommen. Er hat mich dann an das Schulamt weiterverwiesen. Dann änderte sich in den Herbstferien erneut der Hygieneplan und nun war es Grundschulschülern wieder erlaubt sich von der Präsenzpflicht befreien zu lassen.

Seitdem gab es noch keine erneute Kontaktaufnahme durch die Schule. Falls doch stelle ich mich auf den Standpunkt, dass wir einen Antrag auf Befreiung vom Präsenzunterricht für das Halbjahr gestellt haben und uns dieser Antrag auch genehmigt wurde. Einen erneuten Antrag auf Befreiung habe ich nicht gestellt. Aus Prinzip nicht. Nur weil gerade mal wieder ein neues Hygienekonzept in Kraft getreten ist und der Schulleiter es gerne für seine Unterlagen hätte.

Das Home-Schooling läuft so ab, dass sich Dirks Sohn für ca. 1 Std. gleich morgens an den Schreibtisch setzt und mit den Büchern und Arbeitsheften in Deutsch, Mathe und Sachunterricht die Aufgaben erledigt. Mit im Raum sind Dirks Frau sowie Bruder und Schwester. Schreiben macht Dirks Sohn keinen Spaß. Dafür umso mehr Lesen und Rechnen. Sein 5-jähriger Bruder fragt ihn Matheaufgaben ab. In Mathe sind die Lernziele für Klasse 2 erreicht. Soll man jetzt pausieren, damit man nicht zu viel vorauslernt? Zumindest empfiehlt die Mathelehrerin ein Extra-Arbeitsheft mit Knobelaufgaben. Wir fokussieren uns jetzt nicht darauf, dass er im Schreiben ordentlich aufholt. Es macht keinen Sinn jemanden etwas gegen seinen Willen versuchen beizubringen. Außerdem ist es mit viel schlechter Stimmung verbunden, wenn er viel schreiben muss. Hier akzeptieren wir, dass er dann möglicherweise der Klasse hinterher hängt, falls er mal irgendwann wieder am Präsenzunterricht teilnehmen sollte. Na und? Gibt Schlimmeres.

Fall „Olaf“ (Brandenburg)

Olaf gehört selbst zur Risikogruppe. Auch zwei seiner drei Kinder gehören zur Risikogruppe. Seinen Bericht könnt ihr hier lesen.