Welche Möglichkeiten gibt es meine Kinder nicht mehr zur Schule zu schicken?

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Sobald man erkannt hat, dass es sinnvoll ist, die eigenen Kinder nicht mehr in die Schule zu schicken, überlegt man: Was können wir machen? Es gilt ja die Schulplicht in Deutschland. Wir sind auch keine Risikogruppe, dann dürfen wir ja die Kinder auch nicht zu Hause lassen. Halt. Das stimmt so nicht.

Es gibt Wege, die teilweise ziemlich einfach sind, dass die Kinder nicht mehr in die Schule gehen. Ihr müsst für eure Situation entscheiden, was ihr macht. Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Dafür ist die Lage in den Bundesländern auch noch sehr unterschiedlich geregelt. Aber die Möglichkeiten, die es gibt, die wollen wir euch hier in diesem Artikel aufzeigen.

Zu Beginn noch mal kurz die wichtigen Begriffe erläutert:

Schulpflicht/Schulbesuchspflicht: Der Schüler hat die Pflicht, eine Schule zu besuchen. Die Eltern haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Schüler der Schule zugeführt werden.

Schulzwang: Die Schulpflicht wird notfalls durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt. Diese können zum einen das Kind selbst betreffen (Zwangzuführung in die Schule durch die Polizei) oder die Eltern (Bußgeld, Zwangshaft etc.)

Bildungspflicht: Die Eltern sind verpflichtet, für eine ausreichende und der Schule mindestens gleichwertige Bildung ihrer Kinder zu sorgen.

Unterrichtspflicht: Die Eltern sind verpflichtet, für die Bildung ihrer Kinder mittels Unterricht zu sorgen. Die Wahl des Ortes bleibt den Familien frei.

Unterrichtsfreiheit: Die Art der Unterrichtung ist frei.

Jetzt fragt man sich, warum überhaupt ein Unterschied zwischen Schul-, Bildung- und Unterrichtspflicht gemacht wird? Ist das nicht alles dasselbe?

Nein, das ist es nicht. Bei uns in Deutschland gibt es nur die eine Option, deshalb sind die anderen Begriffe in Deutschland auch nicht so gebräuchlich oder werden synonym verwendet. Aber schauen wir doch mal auf die Länder, in denen unter bestimmten Auflagen Home-Schooling möglich ist:

Also in ziemlich vielen anderen europäischen Ländern und auch in der USA sind Home-Schooling unter bestimmten Auflagen möglich. In Deutschland wird die Option auf Home-Schooling den Eltern noch nicht einmal während einer Pandemie zugesprochen. Hier lächeln andere Länder über das was bei uns nicht erlaubt ist. Zum Beispiel hier:

Das war nur der Einstieg, damit die innere Haltung für den Prozess „die Kinder nicht mehr in die Schule zu schicken“ stimmt. Wir fordern hier ein Recht ein, dass Eltern in vielen anderen europäischen Ländern und in der USA bereits haben und nutzen. Und natürlich machen Eltern in diesen Ländern von ihrem Recht Gebrauch, die Kinder während einer Pandemie ins Home-Schooling zu holen.

Jetzt aber zu den möglichen Schritten:

Befreiung vom Schulunterricht mit Angehörigen aus einer Risikogruppe

Sollte im Haushalt eine Person leben, die zur Risikogruppe bei der Corona-Erkrankung zählt, dann gibt es in den Bundesländern verschiedene Regelungen, ob und wie man die Kinder vom Schulunterricht befreien kann. Wichtig ist, dass das RKI die Risikogruppen vorgibt und man sich nicht auf Diskussionen einlässt, dass das Kultusministerium die Risikogruppen vorgibt. So hatte Niedersachsen im ersten Hygieneplan für die Schulen ältere Personen, Raucher, stark adipösi Menschen und Menchen mit chronischen Nierenerkrankungen nicht zur Risikogruppe gezählt. Die offizielle Liste vom RKI gibt es hier.

Die Regelungen haben sich in der Zeit nach den Sommerferien 2020 recht häufig geändert. Wir versuchen auf einer separaten Seite die Informationen zu dem Vorgehen in den einzelnen Bundesländern aktuell zu halten. Hier ist nur eine Kurzübersicht zur Eingruppierung der Bundesländer:

Ohne Einschränkungen ist eine Befreiung

  • Baden-Württemberg (Befreiung für alle Kinder ohne Attest möglich)

Mit Einschränkungen ist eine Befreiung bei Angehörigen mit Risikogruppe möglich:

  • Bayern (mit Attest)
  • Berlin (mit ärztlicher Bescheinigung)
  • Bremen (Attest)
  • Hamburg (Befreiung ist möglich)
  • Hessen (Attest)
  • Mecklenburg-Vorpommern (Attest nur nach Afforderung)
  • Niedersachsen (Grundschule oder Inzidenz über 35)
  • Nordrhein-Westfalen
  • Saarland (Befreiung mit Attest)

Folgende Bundesländer sehen keine Befreiung der Schüler mit Angehörigen aus Risikogruppen vor:

  • Rheinland-Pfalz (Separation innerhalb des Schulgebäudes möglich)
  • Brandenburg (Präsenzpflicht)
  • Sachsen

Keine Angabe zum Umgang mit Kindern und Angehörigen in Risikogruppe:

  • Sachsen-Anhalt
  • Schleswig-Holstein
  • Thüringen

Befreiung vom Schulunterricht mit älteren Angehörigen

Einige Familien leben mit den Großeltern in einem Haushalt oder die Großeltern übernehmen Betreuungszeiten bei den Kindern. Natürlich zählen ältere Personen zur Risikogruppe laut RKI. Die Schulen verlangen teilweise Atteste von Fachärtzten, die die Corona-relevanten Erkrankungen bestätigen. So müssen z.B. Ärzte das Alter ihrer Patieten bestätigen:

Auch in diesem Fall kann man die Kinder wie oben geschildert vom Unterricht befreien.

Befreiung vom Schulunterricht ohne Risikogruppe

Der Wunsch ist da, dass die Kinder nicht mehr die Schule besuchen sollen. Beispiele für mögliche Gründe sind:

  • Hohe Inzidenz in der Stadt oder im Landkreis und die Schule hält sich nicht an die Empfehlungen des RKI.
  • Man möchte seine Kinder nicht der Gefahrensituation in der Schule aussetzen. Je weniger Kinder in die Schule gehen, desto geringer wird das Ansteckungsrisiko für die Kinder selbst, für die Eltern, für die Klassenkameraden, für die Lehrer, für die anderen Eltern
  • Man möchte seinen Kindern nicht die tägliche Busfahrt in überfüllten Bussen zumuten.
  • Man ist nicht damit einverstanden, dass die Kinder mit Decken und Jacken im Klassenzimmer sitzen müssen. Dabei hätten die Schulen schon im Sommer mit Raumluftreinigern ausgestattet werden können.
  • ….

So und nun sitzt man da und überlegt was man machen kann.

Man kann die Kinder einfach zu Hause lassen. Man informiert die Schule darüber, dass die eigenen Kinder nicht mehr am Unterricht teilnehmen.

„Ja, aber was passiert dann?“

Erst mal ist die Situation unklar und es kreisen komische Gedanken im Kopf.

  • Meinem Kind drohen jetzt schlechte Noten.
  • Die Schule wird Bußgelder verschicken.
  • Die Polizei wird unsere Kinder abholen und zur Schule bringen.
  • Das Jugendamt kommt und vollzieht eine Inobhutnahme meiner Kinder.

Ähh, moment mal. Nochmal zur Erinnerung vom Anfang: in allen Nachbarstaaten von Deutschland ist Home-Schooling möglich. Und nur hier bei uns in Deutschland nicht? Und ich mache mir Gedanken darüber, ob das Jugendamt meine Kinder abholt. Irgendwas stimmt hier nicht. Aber was passiert denn nun?

Um das herauszufinden, braucht man die Erfahrung von Eltern, die bereits dieser Situation erlebt haben. Aber wie kommt man an diese Informationen dieser Eltern ran?

Tja, und dazu gibt es uns. Das war genau der Grund, warum wir gesagt haben, die Erfahrungen die wir gemacht haben sind wichtig bei dem Entscheidungsprozess, den andere Eltern an dieser Stelle durchmachen. Wir waren am Anfang die Exoten an den Schulen. Meistens die Einzigen an einer Schule, die ihre Kinder nicht mehr hingeschickt haben.

Und neben anderen Eltern, die ihre Kinder zu Hause haben, sind in unserem Verein auch Vertreter aus der Politk, die uns erst mal erklärt haben, dass die Inobhutnahme eine sehr abstrakte Sache ist, für gut behütete Kinder ist, die wegen der Corona-Pandemie nicht zur Schule gehen. Die Inobhutnahme ist das allerletze Mittel, dass ein Jugendamt einsetzen würde. Und die Unterbringung kostet auch einfach viel Geld. Es ist immer das Ziel eines Jugendamtes, dass die Kinder bei ihren Eltern bleiben können. Zeigen sich Eltern kooperativ und offen, wird eine Inobhutnahme eigentlich nicht vollzogen. Uns ist kein Fall bekannt, bei dem das Jugendamt eine Inobhutnahme veranlasst hat, weil die Eltern ihre Kinder wegen der Corona-Pandemie nicht zur Schule geschickt haben.

Also was passiert denn nun? Hier drei Reaktionen:

Fall 1: Nach der Mitteilung der Schule, dass der Sohn wieder am Präsenzunterricht teilnehmen muss (September 2020, vorher war er befreit) gab es einen Schriftverkehr zwischen der Schulleitung und den Eltern. Mit der Haltung der Eltern, die Kinder nicht mehr zur Schule zu schicken, fühlte sich die Schulleitung nach einem persönlichen Gespräch nicht mehr zuständig. Die Eltern wurden an das Schulamt verwiesen. Das Schulamt hatte aber keine Zeit für ein persönliches Gespräch, man solle die Unterlagen zur Prüfung per eMail zuschicken. Das wurde nicht gemacht und seitdem (Stand: November 2020) gab es weder von der Schulleitung noch vom Schulamt eine Reaktion.

Fall 2: Kind wurde seit März 2020 nicht mehr zur Schule geschickt. Vater und zwei Geschwister gehören zur Risikogruppe. Der Fall spielt sich in Brandenburg ab. Wenn man die Vorgaben liest, dann wird deutlich, dass dieses Kind nicht am Präsenzunterricht teilnehmen muss. Das sieht die Schule und das Schulamt aber anders und möchte das Kind in den Präsenzunterricht zwingen. Leider sind die Vorgaben so, behauptet die Schule. Die Eltern haben geklagt und in der ersten Instanz verloren. Das Gericht hatte sich aber noch nicht einmal die Mühe gemacht und die wesentliche Textstellen bei der Begründung berücksichtigt. Der Prozess geht weiter und wird nun bald an der nächst höheren Instanz verhandelt. Die Situation ist also in der Schwebe. Trotzdem geht das Kind nicht zur Schule.

Fall 3: Hier stieg die 7-Tages Inzidenz am Ende der Herbstferien auf 80 und noch immer gab es keiner Reaktion der Schule die RKI Empfehlungen für geteilte Klassen und Maskenpflicht im Klassenraum anzuwenden. Es wurde den Eltern zu gefährlich, dass Kind in die Schule zu schicken. Eigentlich sollte nach Empfehlungen vom RKI ab einer Inzidenz von 50 die Klassen geteilt werden. Aber die Schule hält sich da nicht dran. Die Schule wurde informiert, dasss das Kind nachden Herbstferien nicht mehr zur Schule geht. Es gab noch einen Anruf der Schulleitung, dass die Schulpflicht gilt, und Bildung das höchste Gut ist. Aber es war schnell klar, dass der Zug für diese Argumentation abgefahren war. Die Schulleitung war nicht begeistert. Bisher wurde aber nichts unternommen. Seit zwei Wochen ist das Kind nun zu Hause. In genau dieser Situation werden viele Eltern sich dann wiederfinden. Deshalb werden wir über die Entwicklung in dem Fall im wöchentlichen Rhytmus berichten.

Alle Kinder aus den drei Fällen lernen zu Hause weiter. Die Eltern organisieren wieder Home-Schooling. Unterstützung von der Schule: 1x ja, 2x nein. Wichtig scheint uns die Rückmeldung an die Schule über erledigte Aufgaben. Selbst, wenn nicht danach verlangt wird. Dann hat man im Streitfall mit der Schulamt den Nachweis, dass das Kind weiter beschult wird.

Zum Thema Home-Schooling gibt es sehr unterschiedliche Konzepte. Deshalb widmen wir uns dem Thema „Home-Schooling – Lernen ohne Präsenzunterricht“ in einem extra Artikel.

Lösungsstrategien, wenn einem die Situation zu ungemütlich wird

Sollte die Situation nicht mehr ertragbar werden, weil der Druck gegenüber den Eltern durch die Schule, das Schulamt und möglicherweise das Jugendamt immer größer wird, gibt es verschiedene Lösungsstrategien.

Dies hier ist eine Sammlung an Möglichkeiten, über die man nachdenken kann:

  • Umzug nach Baden-Württemberg
    • In Baden-Württemberg ist im Schuljahr 2020/2021 die Präsenzpflicht ausgesetzt. Kinder müssen nicht zur Schule. Vielleicht gibt es ja Bekannte aus Baden-Württemberg, bei denen man für die Zeit wohnen kann. Für die meisten Familien zu aufwendig. Aber eine saubere und völlig legale Maßnahme, um der Präsenzpflicht aus dem Weg zu gehen.
  • Alternative-Schulen
    • Es gibt in Deutschland einige Online-Schulen. Das wissen viele nicht. Bei einer Online-Schule gilt die Präsenzpflicht nicht. Kinder können von zu Hause lernen. Deshalb heißen die Schulen auch „Online-Schulen“. Wir werden die Online-Schulen in Deutschland auf dieser Übersichtseite sammeln und auch von den Online-Schulen eine Einschätzung zu der Corona-Situation einholen. So dass Eltern sich informieren können, ob die jeweilige Schule für ihren Fall geeignet sein könnte.
    • Wechsel auf eine Alternative Schule. An Demokratischen Schulen gibt es häufig keine Präsenzpflicht. Ein Wechsel an eine solche Schule kann deshalb eine mögliche Option sein.
  • Streiken
  • Klagen
    • Es gibt verschiedene Möglichkeiten gegen die Präsenzpflicht zu klagen. Bisherige Urteile zur Aussetzung der Präsenzpflicht sind in erster Instanz häufig gescheitert. Aber häufig wird berichtet, dass die Gerichte sich entscheidende Stellen in den Verordnungen und Gesetzen noch nicht einmal angeschaut haben. Deshalb gehen die Betroffenen oft in die nächst höhere Instanz. Über aktuelle Fälle unserer Mitglieder berichten wir ausführlich. Wir werden die Urteile zu dem Thema auf einer Seite sammeln. Schwierig für eine aktuelle und übersichtliche Auflistung sind die unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern und die relativ häufig sich ändernde Rechtslage.
  • Risikogebiets-Quarantäne
  • Auf Zeit spielen
    • Was kann man alles tun, damit möglichst viel Zeit vergeht, bis das Schulsystem reagiert.

Welche weiteren Lösungsstrategien fallen euch noch ein, die ihr mit anderen Eltern teilen wollt? Schreibt uns an redaktion@sicherebildung.de.