Aus dem Leben einer Hochrisikofamilie während der SARS-Cov2-Pandemie (Teil 3/4)

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Von Potsdam nach Berlin, in 39 Tagen!


Der Eilantrag war nun also gestellt. Somit begann die Zeit des Wartens. Die gegnerische Seite, strich die Schule und das Schulamt hatten jetzt 2 Wochen Zeit, ihre Stellungnahme beim Gericht einzureichen. Zeit, in der unser Sohn weiterhin Null Unterstützung in Form von Schulmaterial oder ähnlicher erhielt. Wir entschieden daher die Bücher der Hauptfächer selbst zu besorgen, damit er mit Hilfe der Informationen von Klassenkameraden/- innen, wenigsten den gleichen Stoff in Selbstschulung und mit unserer Unterstützung, bearbeiten konnte. Die Wartezeit nutzen wir außerdem uns langsam im Thema Social Media zu Schulen. Zunächst meine Frau, welche anfing sich bei Twitter mal umzusehen, ein paar Wochen später auch ich. Und sie wurde massenhaft fündig. Sie las unendlich viele Tweets über andere Eltern, die entweder ähnliche Probleme oder die gleichen Sorgen um ihre Gesundheit hatten wie wir und es ebenfalls nicht verstehen konnten, warum sie in solch einer Ausnahmesituation nicht selbst entscheiden können, ob sie ihr Kind in die Schule schicken oder lieber zu Hause unterrichten wollen.


Die gegnerische Seite brauchten nicht ihre vollen 2 Wochen. Am 15.09. lag deren Stellungnahme beim VG Potsdam vor. Das Schulamt verwies zunächst darauf, dass gegen sie gar nicht Klage erhoben werden dürfte, da ja die Schule und nicht sie für die Entscheidung ob Präsenz- oder Distanzunterricht zuständig ist.


Moment mal, war es nicht das Schulamt, was der Schule dieses mittels Anweisung an die Schulleitung untersagt hatte?


Sie wiesen natürlich alle unsere angeführten Gründe als unberechtigt ab. Egal ob unser Recht aus Artikel 2 des GG auf körperliche Unversehrtheit oder unseren Einwand, dass Lukas selbst krank sei, was wir mittels Attests des betreuenden Therapeuten auch nachgewiesen wurde. Sie verwiesen auf die Verordnung des MBJS, in der Hinweise für das Hygienekonzept (Anlage 1 der Verordnung) stehen, wie der Infektionsschutz in den Schulen auszusehen hat, dass das Kind selbst zur Risikogruppe gehören muss, um Distanzunterricht zu erhalten…
2 Tage später folgte dann der Beschluss des VG Potsdam. Unser Antrag wurde abgelehnt.


Begründung: Hygienekonzept der Schule, kein Anspruch auf Grund der Verordnung des MBJS. Kein Anspruch nach Schulgesetzt wegen der eigenen Erkrankung unseres Sohnes. Atteste nicht ausreichend und ausführlich genug. Die Qualifikation unseres Therapeuten wurde in Frage gestellt und zu guter Letzt wurde uns unterstellt, dass wir durch unsere übermäßige Infektionsangst, die Bildungschancen unseres Sohnes gefährden.

Dies war natürlich ein Schock für uns. Was nun. Nein unser Sohn wird definitiv nicht in die Schule gehen. Vom Beschluss des VG hatten wir 2 Wochen Zeit beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Beschwerde einzulegen und weitere 2 Wochen Zeit, diese Beschwerde zu begründen.


Nach den wir den ersten Schock verdaut hatten, begannen wir weiter zu recherchieren, Internet und Twitter. Speziell unsere nun verstärkte Twitter-Aktivität lieferte uns viele sehr nützliche Hinweise. Allerdings machten sie uns auch sauer, denn was wir hier erfuhren war teilweise ungeheuerlich und schwerbegreiflich. Uns erreichten u.a. Nachrichten von mehreren Familien aus einem anderen Landkreis in Brandenburg, bei dem nicht das Schulamt in Brandenburg an der Havel, sondern das in Frankfurt Oder zuständig ist. Familien mit gleicher Konstellation, also Kind kein Risiko, Familienangehörige Risiko. Deren Anträge wurden stattgegeben uns zwar auf Grund der Verordnung des MBJS.

What???

Genau diese Verordnung, die laut Gerichtsbeschluss keinen Anspruch für Kinder aus Risikohaushalten beinhaltet. Wie wir durch weitergehende Recherche auf der Internetseite des MBJS herausfanden, besteht diese Verordnung aus vielen Teilen. PDF-Dateien die für jeden zugänglich aber etwas versteckt (speziell, wenn man die Version für mobile Geräte nutzt) runtergeladen werden können. Diese Verordnung besteht aus insgesamt 11 Dateien. Einem Anschreiben des MBJS an die staatlichen Schulämter des Landes Brandenburg, die jedem Schulamt am 31.7.2020, also noch vor Ende der Sommerferien, zugestellt wurde und insgesamt 10 Anlagen zu verschiedenen organisatorischen Elementen.

  • Anlage 1 „anlage_1_-_ergaenzung_hygieneplan_schule“ welches wir ja schon vom Gerichtsbeschluss kannten.
  • Anlage 2 „anlage_2_vulnerable_schueler-innen“ in dem unter anderem der bekannte Satz mit dem „grundsätzlich keine Begründung darstellt“ enthalten ist.

Der entscheidende Teil steht allerdings nicht in den Anlagen, sondern direkt im Anschreiben an die Schulämter „o_ergaenzung_sj-organisation_2020-2021-endfassung-unterschrift“, in dem die gesamte Verordnung mit allen Anlagen beschrieben ist. Hier findet man auf Seite 3 den Punkt 2, Risikogruppen. Hier wird zunächst kurz beschrieben, wer dazu zählt und wie der Antrag auf Befreiung vom Präsenzunterricht gestellt werden muss, damit man dann ein Angebot im Distanzlernen/-unterricht erhält. Satz. Hierzu muss ein Antrag bei der Schule gestellt und ärztliche Atteste eingereicht werden, die bestätigen, dass man eine Risikogruppe für eine Covis-19 Erkrankung angehört. Und dann folgt folgender Satz.

Zitat: „Für Schüler/innen, deren Haushaltsangehörige einer Risikogruppe zugehören, gilt entsprechendes“

Und es kam noch dicker. Als ich nochmals die Website unserer Schule besuchte, diesmal mit dem Laptop und nicht wie sonst mit dem Handy, fand ich hier direkt auf der Startseite unter der Überschrift „COVID-19 Hygieneregeln am von Saldern-Gymnasium“ das Hygienekonzept der Schule verlinkt. Dieses bestand aber entgegen der mobilen Version aus 3 anstatt 1 Seite. Gleich auf Seite 1 befand sich folgender Satz.
„Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat mit Bezug darauf hingewiesen, dass für Schüler/innen, deren Haushaltsangehörige einer Risikogruppe zugehören, entsprechendes gelte.“

All diese Erkenntnisse gaben wir natürlich als Futter an unseren Anwalt weiter, der dies alles in unsere Begründung für das OVG einarbeitete. Diese Begründung reichten wir, zusammen mit neuen Attesten, die wir uns währenddessen bei unserer Ärztin besorgen, ein. Die alten hatten auch nur eine Gültigkeit bis Ende Oktober. Die neuen für alle 3 Kinder für die nächsten 3 Monate bis Ende Januar 2021. Letztendlich ging unsere Beschwerde fristgerecht am 16.10.2020 beim OVG ein.

Das Ende der Geschichte, kurz und schmerz…! (Teil 4/4)